Nie wieder ist jetzt – Rede des Fraktionsvorsitzenden Paul Bahlmann zum Antrag gegen Antisemitismus

Berlin, 17. November 2023 – In der gestrigen Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung wurde der Antrag „Nie wieder ist jetzt – Treptow-Köpenick stellt sich gegen Antisemitismus“ mit 39 Ja-Stimmen von 45 beschlossen. Zu diesem Antrag hat unser Fraktionsvorsitzender Paul Bahlmann eine Rede gehalten. Hier können sie das Transkript der Rede lesen: 

Sehr geehrter Herr Vorsteher, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Ihnen allen geht es wie mir. Sie haben die furchtbaren Bilder am 7. Oktober wahrscheinlich gesehen, vom Anschlag der Hamas in Israel und auch natürlich die Folgen, die sich um den ganzen Konflikt jetzt in den letzten Wochen entsponnen haben. Ich finde es sehr gut und es war auch sehr wichtig, dass wir in dieser Zeit als demokratische Parteien, Fraktionen und Initiativen auf die Straße gegangen sind, dass es viel Solidarität gab und dass es auch wichtig war, dass viele Institutionen wie der Regierender Bürgermeister und weitere sich alle zu Israel bekannt haben.

Und wir haben uns dann auch die Frage gestellt, ganz offen, der Herr Wohlfeil und ich, lohnt es sich, was zu machen? Und dann haben wir gesagt, eine Resolution ist immer so schwierig. Denn Solidaritätsbekundungen gibt es immer viele. Aber wir wollten etwas schaffen, was in unserer Verantwortung liegt. Was können wir auch wirklich beeinflussen?

Deswegen bekennen wir uns als Parteien und Fraktionen hier im Haus zur Finanzierung des Beauftragten für Antisemitismusprävention in allen zwölf Bezirken, zur langfristigen Ausfinanzierung von Bildungsarbeit und Präventionsarbeit und der schnellen Besetzung ebenjener Stelle bei uns im Bezirk. Da haben wir etwas gefunden, wo wir sagen können, das ist nicht nur ein Bekenntnis, sondern es ist eben auch ein konkreter Schritt.

Dies würde mich dann auch gleich zum Änderungsantrag der AfD führen.

Die AfD-Fraktion hat in ihrem Änderungsantrag alle konkreten Schritte herausgestrichen und will am Ende eigentlich nur zwei Sachen feststellen: Erst mal sind schon wieder nur die Ausländer und die Migranten schuld. Und außerdem will man zwar ein Bekenntnis, aber konkrete Maßnahmen gegen Antisemitismus, die wirklich im Bezirk umgesetzt werden, die sind alle herausgestrichen worden. Deswegen ist der Antrag auch hinfällig.

Dies könnte vielleicht auch daran liegen, dass man leider so deutlich sagen muss, dass die AfD die Partei des deutschen Antisemitismus ist. Denn wir haben hier 2021 eine ähnliche Diskussion geführt. Da haben wir über schwierige Teile der Querdenker-Demonstrationen gesprochen.

Die ganz heftige antisemitische Codes benutzt haben. The Great Reset, der große Austausch. Auch so eine Verschwörungstheorie, die auch in der AfD verbreitet ist. Da haben wir hier, als demokratische Fraktion, gesagt, das geht nicht. Man kann auf die Straße gehen, aber vielleicht nicht, wenn man dann mit Antisemiten unterwegs ist oder wenn antisemitische Sprüche geklopft werden.

Und da hat Herr Henkel, der bedauerlicherweise heute nicht hier ist, das noch als ganz großes demokratisches, zivilgesellschaftliches Engagement gefeiert, dass die Leute da auf die Straße gehen. Aber das hat ja System bei der AfD. Und weil ihnen ja der Schutz des jüdischen Lebens auch in ihrem Änderungsantrag ganz wichtig ist, würde ich gerne mal das American Jewish Committee zitieren.

Das ist nun mal eine Organisation, die sich um jüdisches Leben kümmert. Und die sagen: „Antisemitismus gehört zum programmatischen Kern der AfD.“ Die vorgebliche Solidarität mit jüdischen Gemeinden und Israel diene der Partei lediglich als Vehikel.

Auch nicht verwunderlich. Ich habe noch ein anderes Zitat von Michael Friedman, der sich auch sehr klar äußert. Und er hat gesagt, auf die Frage, wie viel ihm die Solidarität der AfD mit Israel und den Juden bedeutet, Zitat „Ich halte das für blanken Zynismus, für eine Anmaßung und für schamlosen Opportunismus.“

Die AfD ist ein Problem für das jüdische Leben und bestimmt keine Hilfe. Und dann, weil sie ja auch komischerweise immer wieder gegen Michel Friedmann vorgehen als AfD. Ein Zitat von Josef Schuster, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden: „Eine Partei, die ganz klar auch Nazi Ideale verkörpert, wie die AfD. Sollte eine Partei wie die AfD jemals Teil der Bundesregierung sein, muss man sich ernsthaft überlegen, ob jüdisches Leben in Deutschland noch möglich wäre.“

Ich glaube, mehr braucht man zur AfD und zur Solidaritätsbekundung der AfD und zu diesem Antrag nicht zu sagen. Wichtiger ist, dass wir uns als demokratische Fraktionen, die sich ernsthaft im Kampf um Antisemitismus bemühen, einfach auch mal eine Sache klarmachen. Eine Sache, die wir auch immer wieder in unserer Arbeit unterschätzen.

Antisemitismus ist ein jahrhundertealtes Phänomen. Es ist ein Mechanismus, der immer wieder dann greift, wenn Krisen ihm helfen, weil er immer wieder gleich funktioniert. Und es ist vollkommen egal, wie er begründet wird, weil es immer der gleiche Antisemitismus ist, immer der gleiche Mechanismus, mit der Verschwörung, mit der Krake, mit dem Hintergrund, mit den bösen Mächten kommt. Und das ist ein Entlastungsmechanismus, der seit Jahrhunderten funktioniert, weil bestimmte politische Akteure ihn immer wieder und wieder benutzen.

Weil er immer wieder benutzt wird, ist er auch immer wieder erfolgreich, zumindest in Teilen. Und dazu gehört leider eben auch die AfD. Und deswegen ist es ganz wichtig, dass der Kampf gegen Antisemitismus bei uns alltäglicher wird. Und das ist es, was wir vielleicht, glaube ich, mit diesem Antrag hinbekommen. Dass man nämlich im Zentrum des Bezirksamtes diese Stelle für Antisemitismusprävention geschaffen wird und hoffentlich in allen anderen zwölf Bezirken auch parallel zu dem, was es im Land und im Bund bereits existiert.

Das ist ein ganz wichtiges Zeichen, welches übrigens der Bezirksbürgermeister schon im Haushaltsentwurf vor dem 07. Oktober gesetzt hat. Gleichzeitig, und da hoffe ich auf die Landesebene, bin ich sehr dankbar, denn dort gab es bereits Beschlüsse zur Förderung. Daher hoffe ich, dass wir auch einen Konsens darüber finden, wenn es dort Mittel gibt, die hier einzusetzen und möglicherweise auch wieder Träger der Bildungsarbeit zu finden.

Damit wir am Ende nämlich sagen können “Nie wieder” ist nicht nur jetzt, sondern jeden Tag. Danke schön, auch für die Unterstützung des Antrags.

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